Nach dem jüngsten Terroranschlag der PKK auf die Grenzstation in Aktütün an der türkisch-irakischen Grenze fordert das Militär vehement eine Erweiterung seiner Kompetenzen. Beobachter sprechen schon davon, dass mit den fünf vom Militär geforderten Veränderungen die Verhältnisse der 1990er Jahre wiederhergestellt werden, als im Südosten des Landes das Notstandsrecht galt.
Der türkischen Regierung bereitete das Gesuch der Soldaten schon allein deswegen erhebliche Bauchschmerzen, da die Anfrage just zu dem Zeitpunkt kommt, an dem die Europäische Union dem aktuellen Fortschrittsbericht für die Türkei seine letzte Form gibt. Führende Politiker beeilen sich, Entwarnung in Richtung Brüssel zu geben. Wie der Vorsitzende des Antiterrorrates, Regierungssprecher Cemil Çiçek, mitteilte, würden die Beratungen mit der Armee “ergebnisoffen” geführt.
Justizminister Mehmet Ali Şahin hingegen verkündete, dass man sich in zwei der fünf beanspruchten Punkte mit dem Militär geeinigt habe. Der türkische Generalstab hatte die Veränderung, bzw. Abschaffung folgender Regelungen angeregt:
Nach Paragraf 119 der türkischen Strafprozessordnung sind Durchsuchungen von nicht-öffentlichen nur nach vorherigem richterlichem Beschluss möglich. Bei Gefahr im Verzug muss die Hausdurchsuchung von einem Staatsanwalt angeordnet werden.
Nach einer Revision des Polizeirechts darf die Polizei bei Fahrzeugdurchsuchungen nicht verlangen, Einsicht in Bereiche des Fahrzeugs zu erlangen, die nicht von außen einsehbar sind.
Nach bestehendem Recht üben die beim Kampf gegen den Terrorismus im Inland eingesetzten militärischen Kräfte, außer der Gendarmerie, keine polizeilichen Befugnisse aus.
Die Gendarmerie soll nach dem Willen der militärischen Führung auch im Zuständigkeitsbereich der regulären Polizei tätig werden dürfen.
Der Einsatz von GPS-Störsendern, kurz “Jammern”, soll entgegen der bisherigen Praxis weiträumig möglich sein, um die Gefahr per Handy ferngezündeter Bomben einzudämmen.
Justizminister Şahin machte keine Angaben darüber, in welchen Punkten man sich mit dem Militär verständigt habe. Er wies jedoch darauf hin, dass die Türkei nicht vor der Wahl zwischen Sicherheit und Freiheit stehe. Beide Elemente rechtsstaatlicher Ordnung seien auch im Falle einer Revision der oben aufgeführten Punkte in Einklang zu bringen.
Unterdessen weist der Präsident des türkischen Menschenrechtsvereins, Hüsnü Öndül, darauf hin, dass die Türkei mit der angestrebten Erweiterung der Befugnisse in die “dunklen Jahre” der Terrorbekämpfung der 1990er Jahre zurück fallen werde. In Anspielung auf ein Zitat des ehemaligen Staatspräsidenten Süleyman Demirel, der gesagt hatte, dass man die “Hände des Militärs nicht abkühlen lassen” dürfe, sagte Öndül, dass genau dies erforderlich wäre. Die angestrebten Veränderungen würden unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus angestrebt, doch würden sie das Leben jedes Bürgers beeinträchtigen. Öndül verwies unter anderem auf die Lage in den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001, wo dies ebenfalls spürbar geworden sei.
Mittwoch, 8. Oktober 2008
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