Dienstag, 3. Juni 2008

Immer für eine Überraschung gut

Was haben wir nicht alles über die AKP geschrieben. Sie sei reaktionär, stocksteif, konservativ, islamisch (respektive islamistisch), rückwärtsgewand, ein Wolf im Schafspelz und dergleichen mehr. Aus Artvin an der türkischen Schwarzmeerküste, direkt an der Grenze zu Georgien gelegen, erreichte uns eine Nachricht, die angesichts der soeben angeführten Adjektive anfänglich kaum zu glauben scheint.

Die lokale Parteiführung hat einen Kennenlernabend veranstaltet, zu dem sie örtliche Medienvertreter eingeladen hatte. Während eine Sängerin ihr Talent zum Besten gab, wurden eifrig Sekt und Raki verzehrt. Die liberale Region rühmt sich ohnehin dafür, dass sie die einzige Regionalvorsitzende der Türkei habe. Im Laufe des Abends erklomm besagte Vorsitzende Dilek Altan die Bühne und bestückte die Sängerin mit Trinkgeld. Derart animiert, zeigte die Sängerin eine Darbietung, die man sonst aus den Raki- und Fischlokalen in Kumkapi in Istanbul kennt. Mit steigendem Alkoholpegel werden die Gläser beim tanzen nämlich gerne auf dem Haupt postiert, was immer einen Applaus Wert ist.

Vielleicht sollte die Ankaraner AKP-Führung auch mal etwas kopflastiger werden...nach Artviner Art, versteht sich.
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Die Türken sind schon auf dem Mars


Türkische Hacker haben die offizielle Internetseite der Mars-Mission "Phoenix" geknackt.

Die von der Universität Arizona betriebene Seite wurde am vergangenen Samstag von einer Gruppe mit dem Namen "Sgl loverz crew 2008" gehackt. Die Initiative "Zone-h.org", welche Angriffe auf Websites beobachtet und die Spur von Hackern verfolgt, teilte mit, dass die Sicherheitsvorkehrungen der Seite http://fawkes3.lpl.arizona.edu/ von zwei türkischen Hackern überwunden wurden.

Die Besucher der Website trafen auf den Seiten der Phoenix-Mission eine im Wind wehende türkische Nationalflagge sowie türkische Nachrichten an, und wurden auf eine andere Seite umgeleitet.
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15. Internationales Istanbul Jazz Festival


Das in diesem Jahr zum 15. Mal statt findende Internationale Istanbul Jazz Festival wird auch in diesem Jahr Jazzkennern feuchte Träume bescheren. So kommen vom 2. bis 16. Juli nicht nur Herbie Hancock und Al Jarreau in die Bosporus-Metropole, sondern auch Marcus Miller mit seiner Funk-Formation Tower of Power. Die verstorbene Nina Simone wird mit einem Tribute Concert geehrt, an dem DeeDee Bridgewater, Stacey Kent, Raul Midón und andere teilnehmen werden. Was eine musikalische Weichwurst wie Lenny Kravitz unter den teilnehmenden Künstlern zu suchen hat, kann ich mir allerdings nicht erklären. Das vollständige Programm kann hier abgerufen werden.
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36. Istanbul Musik Festival

Die Istanbuler Stiftung für Kultur und Kunst IKSV, Trägerin des renommierten "Internationalen Istanbul Musik Festival", hat nun das Programm für die vom 6. bis zum 30. Juni stattfindende 36. Auflage der Veranstaltung bekannt gegeben. mehr...

Türkische Pixel-Kunst

Das künstlerische Bestreben, piktorale Motive allein anhand des Setzens von Pixeln mittels Programmen wie z.B. "MS Paint" zu generieren wird folgerichtig "Pixel Art" genannt. Beim Social-Bookmark-Dienst Mr. Wong kann man z.B. das höchste Pixel-Gebäude der Welt bestaunen, zu dem jedes Stockwerk von einem anderen Künstler beigetragen wurde. Natürlich gibt es auch Superhelden, bzw. "Microheroes" im Pixelformat. Der türkische Pixel-Künstler neovit hat bei deviantart nun eine verpixelte Version des Jungfrauenturms verfügbar gemacht.



Kiz Kulesi - Maiden's Tower by ~neurovit on deviantART


Einfach auf das Thumbanil klicken, und schon fühlt man sich wie in Istanbul... mehr...

Wer war Mazhar Şevket İpşiroğlu?

Mazhar Şevket İpşiroğlu war niemand Geringeres als der Begründer der modernen Kunstgeschichte in der Türkei. Der 1908 geborene Kunsthistoriker wäre am 5. Mai 2008 100 Jahre alt geworden.

Das Kulturzentrum der Yapi Kredi Bank auf der Istiklal Caddesi in Beyoglu veranstaltet anlässlich dieses Datums am Donnerstag, den 12. Juni um 18.30 Uhr ein Podiumsgespräch, an dem Necmi Sönmez, Prof. Dr. Suat Gezgin und Prof. Dr. Ayla Ödekan als Redner teilnehmen werden. In dem Gespräch soll nicht nur İpşiroğlus Beitrag zur Kunstgeschichte, sondern auch seine eminent wichtige Funktion für die Gattungen Film, Fotografie und Malerei gewürdigt werden, ohne die die türkische Moderne wohl eine andere wäre.

Interessierte können unter +90 (0) 212 252 47 00 weitere Infos erfragen. mehr...

Omega für Lambda?

Der Istanbuler Ortsverein des türkischen Vereins für die Wahrung der Rechte und Interessen von Schwulen und Lesben "Lambda" ist von der Schließung bedroht.
Das Istanbuler 5. Strafgericht hat auf einen Antrag des Gouvernats der Region Istanbul hin die Schließung des Vereins verfügt. Die Verantwortlichen von LambdaIstanbul haben Berufung angekündigt.

Das Gouvernat hatte die Schließung mit der Begründung gefordert, dass der Zweck des Vereins gegen akzeptierte gesellschaftliche Normen verstoße. Weiterhin wurde geltend gemacht, dass der Name "Lambda" keine türkische Entsprechung habe. Während die Istanbuler Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht aufnehmen wollte und auf diverse von der Türkei unterzeichnete Abkommen zu Menschenrechten, Vereinigungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Abkommen mit der EU verwies, verfügte das Gericht die Aufnahme des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft wies ferner darauf hin, dass die Begriffe "Gay/Schwul" und "Lesbisch" sich mittlerweile fest im türkischen Sprachgebrauch etabliert hätten und darüber hinaus auch im wissenschaftlichen Bereich ganz normal gebraucht würden. mehr...

Eigentor nach israelischen Zuckerpass?

Die Washington Post hat einen Beitrag des Kolummnisten David Ignatius veröffentlicht, in dem er der Supermacht USA entscheidende Machtverluste am Beispiel der durch die Türkei vermittelten israelisch-syrischen Friedensverhandlungen attestiert.

So sei der Bush-Administration der türkische Vermittlungskanal suspekt gewesen, doch Israel habe in diesem Punkt Realpolitik betrieben und versucht, Spannungen zwischen Syrien und der Hisbollah auszunutzen sowie einen Keil zwischen Syrien und den Iran zu treiben. Die Bevorzugung der Türkei als vermittelnde Instanz sei gleichzeitig eine Stärkung und Aufwertung der Türkei in der Region, insbesondere gegenüber dem Iran.

Leider wird in keinem der angesprochenen Länder so wenig Kapital aus der fast schon historischen Leistung der türkischen Pendeldiplomatie gezogen wie in der Türkei, da sich die politische Kaste fast ausschließlich auf das anstehende Urteil im Verbotsverfahren gegen die AKP konzentriert. mehr...

Das neue Gesicht des Islam

Christopher Dickey und Owen Matthews haben für die US-amerikanische Zeitschrift Newsweek einen Beitrag mit dem Titel "Das neue Gesicht des Islam" verfasst, in dem sie der theologisch dürftigen Perspektive eines Islam nach Lesart Osama bin Ladens ein Publikationsprojekt der Theologischen Fakultät der Universität Ankara entgegenstellen.

Neben dem Koran bilden die gesammelten Sprüche des Propheten Mohammed sowie Erzählungen über seine Lebensführung unter dem Namen "Hadith", bzw. "Hadis-i Serif" eine zweite Leitlinie für jeden Moslem. Die Hadithen werden einer fortlaufenden Exegese unterzogen, die für die praktische Lebenswelt der Moslems eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. Das Ankaraner Projekt, für das ca. 170.000 Texte zur Auswertung gesammelt wurden, will die Hadithen nun den heutigen Lebensumständen anpassen, die Exegese gewissermassen hermeneutisch neu justieren. Erklärtes Ziel ist es, die Interpretation der Schriften mit Demokratie, Menschenrechten, Frauenrechten und anderen universellen Werten in Übereinstimmung zu bringen. Der Theologe Mehmet Görmez erklärt in dem Beitrag, dass z.B. das Hadith, wonach es einer Frau untersagt sei, allein zu reisen, im heutigen Saudi-Arabien als Begründung dafür dient, den Frauen das Autofahren zu verbieten. Man müsse solche Schriften jedoch kontextualisieren, und könne somit durchaus zu dem Schluss kommen, dass in der Entstehungszeit des Hadith eher die mangelnde Sicherheit der Frauen vor Überfällen gemeint sei. Schließlich lägen andere Schriften vor, wonach Mohammed sich nach der Zeit zurückgesehnt habe, in der Frauen noch allein reisen konnten.

Laut Dickey und Matthews lehnten die beteiligten Theologen jedoch den Begriff der Reformation ab. Es befände sich kein Luther unter ihnen und Thesen würden auch nicht an die Tür genagelt. Die BBC, der Guardian und die Financial Times hatten bereits im Februar 2008 von dem Projekt berichtet, diese Meldungen wurden seinerzeit jedoch vom Amt für religiöse Angelegenheiten dementiert. Die Veröffentlichung der türkischen Lesart der Hadithen soll noch Ende diesen Jahres beginnen. mehr...

Freiheit á la carte

Soner Cagaptay, Leiter der Abteilung für Türkeistudien des think tank "The Washington Institution", hat für die Jane´s Information Group, welche die Jane´s Defense Weekly herausgibt, einen Bericht über die Türkei verfasst, in dem er der AKP-Regierung vorwirft, die von der EU geforderten Freiheiten bei ihrer Umsetzung wie ein A-la-carte-Menü zu betrachten, von denen man sich einige aussuchen könne, andere wiederum nicht.

Dabei stellt Cagaptay fest, dass insbesondere die Bereiche Alkohol und Frauen Anlass zur Sorge geben. So habe die Alkoholsteuer für einen Liter Wein im Jahr 2000 1 YTL betragen, wohingegen die Abgabe 2007 3,2 YTL zu Buche schlug. Auch die Zahl der Lokale und Geschäfte, die eine Lizenz für den Verkauf oder Ausschank von Alkohol haben, sei in diesem Zeitraum entsprechend gesunken.

Ferner habe die türkische Wirtschaft seit 2003 zwar 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch hätten im gleichen Zeitraum 52.400 Frauen ihre Arbeit verloren. Cagaptay ruft die Entscheidungsträger in Washington und Brüssel dazu auf, im Bereich der gesellschaftlichen Liberalisierung durch die AKP-Regierung einen einheitlichen Standard anzusetzen. mehr...