Samstag, 6. September 2008

Ein historischer Tag

Am heutigen 6. September kommt es im armenischen Eriwan zu einer historischen Begegnung: die Türkei und Armenien tragen ein Fußballländerspiel um den Einzug in die Endrunde der WM 2010 in Südafrika aus. Das Datum, der 6. September, weist jedoch über das Spiel hinaus.

Das Spiel zwischen den beiden Staaten, die keine diplomatischen Beziehungen unterhalten, deren gemeinsame Grenze geschlossen ist und deren Verhältnis durch Ereignisse, die knapp 100 Jahre zurück liegen, vergiftet ist, bietet die Möglichkeit, diese Altlasten wenn auch nur für einen kurzen Augenblick auszublenden und sich wenigstens für 90 Minuten als gleichwertige Kontrahenten, vielleicht sogar "nur" als Nachbarn zu begegnen. Die Entscheidung von Staatspräsident Gül, trotz aller Trommelei der Opposition den schwierigen Weg ins unbekannte Armenien zu wagen, verdient Respekt.

Vielleicht ist es endlich an der Zeit, über den Schatten der Geschichte zu springen. Da scheint es um so erstaunlicher, dass gerade ein weiteres, längst vergangenes und doch nicht verarbeitetes Kapitel der Beziehungen der Türkei zu ihren Minderheiten diesem Tag etwas Symbolisches verleiht. Am 6. September 1955 kam es in Istanbul zu Ausschreitungen gegen Griechen, nachdem im Geburtshaus Atatürks in Thessaloniki eine Bombe explodierte. Was damals viele nicht wussten: es war ein türkischer "agent provocateur", der die Bombe legte, um in der Heimat die Stimmung gegenüber den Griechen aufzuwiegeln.

Was folgte, war die endgültige Dezimierung der griechischen Minderheit in Istanbul, als viele geschockte Hellenen mit Hab und Gut in die "Heimat", die keine war, auswanderten. Das heutige Fußballspiel wäre eine der seltenen Gelegenheiten, die symbolische Kraft der Daten umzukehren und aus dem 6. September einen Tag der Begegnung, anstatt einen Tag der Entzweiung zu machen.

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