Dienstag, 14. Oktober 2008

Ein Hauch von Hollywood, aber bitte umsonst

Die Vereinigung der Frauen in der türkischen Regierungspartei AKP veranstaltet eine Konferenz, die die Rolle der Frau in der Geschäftswelt thematisieren soll. Die Vorsitzende Fatma Şahin hat auch schon einen Stargast geladen: Angelina Jolie.

Wie Fatma Şahin mitteilte, habe man die amerikanische Schauspielerin Angeline Jolie zu der Konferenz geladen, weil sie ein Vorbild für aktive und engagierte Frauen sei. Terry Neese und Mona Diamond aus den USA sowie Manail Anis aus Pakistan hätten bereits zugesagt, so die Vorsitzende.

Auf die Frage, wie Jolie reagiert habe, antwortete Şahin, dass die Schauspielerin sich eine Spende an arme Länder erwünscht habe. Jedoch sei man eine Regierungspartei und könne deswegen keinerlei Geld für geladene Gäste bezahlen. Dies habe man Jolies Management mitgeteilt und warte nun auf dessen Antwort.

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Frankfurter Buchmesse wird heute eröffnet

Die 60. Frankfurter Buchmesse wird heute im Beisein des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül und des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk eröffnet.

Die Türkei, die als “Ehrengast 2008” zugegen ist, wird sich mit rund 300 Autoren und 700 Künstlern auf einer Fläche von 4060 m² präsentieren. Die literarische Eröffnungsrede wird der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk halten. Frank-Walter Steinmeier wird die deutsche Regierung bei der Eröffnungsfeier, die heute um 17 Uhr im Congresss Center auf dem Frankfurter Messegelände beginnt, vertreten.

Das Synfonieorchester des türkischen Staatspräsidenten wird gemeinsam mit dem Chor der Frankfurter Musikakademie Ahmed Adnan Saygun´s “Yunus Emre Oratorium” aufführen - natürlich auf Deutsch. Das umfangreiche Rahmenprogramm zur Gastresidentur der Türkei ist hier zu finden.

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Hat die türkische Armee dem Angriff auf Aktütün untätig zugesehen?

Die Zeitung Taraf hat angegeben, im Besitz von militärischen Dokumenten zu sein, die belegen sollen, dass die türkische Armee seit langer Zeit von den Anschlagsplänen auf die Grenzstation in Aktütün unterrichtet war und untätig zugesehen hat.

Wie die Zeitung Taraf berichtet, liegen ihr geheime Protokolle der militärischen Aufklärung vor, wonach die Anschlagsvorbereitungen der PKK lange Zeit vor dem Angriff am 3. Oktober 2008 absehbar waren. Das Fazit: Der Anschlag, bei dem insgesamt 17 Soldaten ums Leben kamen, hätte verhindert werden können.

Im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Kooperation mit den USA erhält die Türkei Zugriff auf die Bilder zahlreicher unbemannter Drohnen, die die türkisch-irakische Grenze permanent “im Auge” behalten. Schon einen Monat vor dem Angriff, am 5. Sptember 2008, zeichneten die Aufklärungsflugzeuge die Bewegung einer 80-köpfigen Gruppe der PKK von der iranisch-irakischen Grenze hin zur irakisch-türkischen Grenze mitsamt deren Koordinaten auf. Das Kommando für elektronische Systeme des türkischen Generalstabs wurde augenblicklich und fortan ständig von den Bewegungen der Gruppe unterrichtet.

Nur fünf Tage vor dem Angriff, am 29. September 2008, hat der für die nachrichtendienstliche Aufklärung zuständige Offizier Zafer Kilic in einem Dokument höchster Geheimhaltung und Dringlichkeit darauf hingewiesen, dass in den folgenden Tagen ein Anschlag auf türkischem Boden, nahe der irakischen Grenze erfolgen werde, da die PKK schweres Geschütz in die Region verbracht habe und die Bewohner einiger Dörfer in der Region dazu aufgefordert habe, ihre Dörfer zu räumen.

Am 2. Oktober 2008 wies der Offizier Ferdi Korkmaz in einem nachrichtendienstlichen Bericht auf die Aktivitäten der PKK in der Region hin, in der diese einen Tag später zuschlagen sollte. Der Bericht des Offiziers enthält detaillierte Angaben über die Bewegungskoordinaten der Gruppe, ihre Anzahl und sogar über die Anzahl der von der PKK zu Transportzwecken und als “Minenaufklärer” eingesetzten Maultiere.

Am Morgen des 3. Oktober 2008, dem Tag des Angriffs, konnte der türkische Generalstab über die unbemannten Drohnen in Echtzeit beobachten, wie sich die Kämpfer der PKK in den um die Grenzstation Aktütün befindlichen Hügeln auf den Angriff vorbereiteten, ihre schweren Waffen positionierten und ihr Rückzugsgebiet verminten.

Laut Taraf weisen die Aufnahmen der Drohnen ein bemerkenswertes Detail auf. Die Kameras, die die Vorbereitungen der PKK aufnehmen, schwenken plötzlich auf die Grenzstation Aktütün um, ganz so, als wenn ein Angriff unmittelbar erwartet wird.

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Verhandlungen mit Barzani beginnen

Eine Delegation türkischer Diplomaten hat nach vier Jahren Unterbrechung wieder direkte Gespräche mit Mesud Barzani aufgenommen, dem Führer des Nordirak.

Die Delegation des türkischen Außenministeriums unter dem Vorsitz des Sondergesandten für den Irak, Murat Özcelik, ist zu den ersten direkten Verhandlungen mit der kurdischen Führung des Nordirak seit vier Jahren zusammen gekommen. Nach den Gesprächen in der “Grünen Zone” in Bagdad wird die Delegation mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri El Maliki zusammentreffen.

Die Türkei hat vor geraumer Zeit über die USA sowie über die Bagdader Zentralregierung einige Forderungen an den Nordirak gestellt:

Die Anerkennung der PKK als Terrororganisation.
Die Auslieferung von PKK-Kadern, die sich nachweislich und unbehelligt im Nordirak aufhalten.
Das Verbot aller Organisationen, die mit der PKK gemeinsame Sache machen.

Diese Forderungen werden nun erneut gestellt. Ferner wird die türkische Seite dem Nordirak laut NTV anbieten, jene Gebiete gemeinsam mit der Türkei zu kontrollieren, die sich nach Barzanis Aussage seiner Kontrolle entziehen. Unterdessen betonte Ministerpräsident Erdogan nach Angaben der Zeitung Taraf, dass die Gespräche mit den nordirakischen Kurden auf “unterster Ebene” stattfänden. Es sei unwahr, dass man Nedschirwan Barzani, den Chef der kurdischen Autonomieregierung, nach Ankara eingeladen hätte.

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Ein Foltertagebuch

Der Tod von Engin Ceber wirft ein düsteres Licht auf die Türkei. Der Mann, der festgenommen wurde, weil er eine Zeitschrift verteilte, starb an den Folgen übelster Misshandlungen. Ob Einzelfall oder nicht, die perverse Chronik seines Leids muss zum Schandfleck auf der Weste der Türkei werden.

28. September 2008
Engin Ceber wurde am 28. September 2008 im Istanbuler Stadtteil Sariyer verhaftet, weil er die Zeitschrift “Yürüyüs” verkaufte. Das Mitglied der Föderation für Grundrechte tat dies gemeinsam mit Özgür Karakaya, Cihan Gün, Aysu Baykal und Gözde Buldu. Die Polizei unterband den Verkauf der Zeitschrift, prügelte auf die Aktivisten ein und verbrachte sie auf die Polizeiwache in Istinye.

Der diensthabende Arzt des Krankenhauses in Istinye notierte um 17:40 Uhr zum Gesundheitszustand Cebers: “Abschürfungen auf der Oberlippe, Schwellungen auf dem linken Augenlid, Abschürfungen auf dem rechten Knie und Ellenbogen, 4x5cm große Schwellung auf dem Hinterkopf…”

29. September 2008
Gleich in den ersten Stunden dieses Tages wurden die Festgenommenen wieder ins Krankenhaus in Istinye gebracht. Der diensthabende Arzt stellte um 1:20 Uhr fest, dass das Maß an körperlicher Misshandlung stetig anstieg: “5x5cm große Quetschung am rechten Augenlid,1x1cm großer Riss am linken Augenlid, Schwellungen am rechten Frontal und Temporal. Der Patient klagt über Kopfschmerzen. 1x1cm großer Riss am rechten Knie. Kann in Folge von Schleifen oder Tritt erfolgt sein.”
Darauf hin wurde Ceber ins Etfal Krankenhaus in Sisli verbracht. Dort wurde festgestellt, dass die Schädelverletzungen Cebers nahe legen, dass diese auf Gewalteinwirkungen zurück gehen. Am selben Tag wurden die Festgenommenen in Sariyer wegen Widerstands gegen Polizeibeamte angeklagt. Alle außer Gözde Buldu wurden verhaftet, die Männer ins Gefängnis Metris gebracht. Die Anwälte der nun Angeklagten wiesen darauf hin, dass im Rahmen dieser Anklagepunkte kein Haftbefehl nötig sei und ihre Mandanten vorläufig auf freiem Fuß bleiben könnten.
Enging Ceber erklärte dem Arzt bei seiner letzten Untersuchung im Krankenhaus in Istinye, dass er aufgrund von Schlägen starke Kopf- und Rückenschmerzen habe.

30. September - 5. Oktober 2008
Während die Türkei das Zuckerfest feierte, erlitten die Insassen des Metris Gefängnisses unvorstellbare Qualen. Cihan Gül gab in einer späteren Aussage Folgendes zu Protokoll: “Die Gendarmerie forderte uns dazu auf, uns zu entkleiden. Wir lehnten dies ab. Darauf hin trat ein kurzhaariger und helläugiger Offizier hervor und schlug mit einem Holzknüppel 2 bis 3 Minuten auf unsere Körper und Köpfe ein. Unsere Kleider wurden uns mit Gewalt vom Leib gerissen… Am Dienstag Morgen waren wir nicht in der Lage, uns zum Frühappell aufzustellen, weswegen 4 bis 5 Vollzugsbeamte mit Eisenstangen, Plastikstühlen, Hände und Füßen 5 Minuten auf uns einprügelten. Aus dem selben Grund wurden wir Dienstag Abend von 15 Beamten 15 Minuten geprügelt. Am Mittwoch schlugen 15 Vollzugsbeamte 30 Minuten mit den erwähnten Gerätschaften auf uns ein…”

6. Oktober
Der Rechtsanwalt des Büros für das Recht des Volkes Taylan Tanay besuchte nach dem Ende der Feiertage die Insassen des Gefängnisses Metris. Ceber erklärte seinem Anwalt, dass er zweimal täglich schwer geprügelt und misshandelt werde und er befürchte, das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen zu können.

7. Oktober 2008
Die Anwälte Taylan Tanay und Oya Aslan verständigten die Ärztekammer Istanbuls und den Verein Zeitgenössischer Juristen (CHD) und ersuchten um die sofortige Bildung einer Delegation

8. Oktober 2008
Eine fünfköpfige Delegation von Juristen des CHD wurde morgens im Gefängnis Metris vorstellig. Als die Delegation forderte, auch Engin Ceber zu Gesicht zu bekommen, wurde ihnen mitgeteilt, dass der Gefängnisdirektor sie erwarte. Sein Anliegen: “Wir haben schlechte Nachrichten, er ist verstorben…” Cebers Zustand hatte sich in der Nacht zuvor dramatisch verschlechtert, so dass er ins Krankenhaus Istinye eingeliefert wurde.

9. Oktober 2008
Die Anwälte und die Familie Cebers fanden sich vor dem Krankenhaus in Istinye ein. Die Gendarmerie sicherte die Tür und ließ die Angehörigen nicht zu Cebers Leiche vor. Ceber war an einem Hirntod gestorben.

10. Oktober 2008
Die Ärzte erklärten den 29-jährigen Engin Ceber offiziell für tot.


Epilog

Der türkische Justizminister Mehmet Ali Sahin hat heute vor der Presse verkündet, dass 19 Personen, die verdächtigt werden, an dem Tod Cebers schuldig zu sein, suspendiert wurden und dass gegen diese Personen Ermittlungen liefen. Er entschuldigte sich im Namen der Republik Türkei und im Namen seiner Regierung für den Tod Cebers. Sahin erklärte, dass im Verlauf der Ermittlungen gegen noch mehr Personen ermittelt werden könne. Unter den suspendierten Personen befinden sich neben diversen Vollzugsbeamten auch ein Arzt, der Ceber bescheinigt hatte, bei guter Gesundheit zu sein, ohne diesen in Augenschein genommen zu haben.

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