Freitag, 26. September 2008

Das türkische Atomprogramm schwächelt, bevor es anläuft

Tanay Sıdkı Uyar, der Vizepräsident von EUROSOLAR, hat ernsthafte Bedenken bezüglich der kürzlich erfolgten Ausschreibung für das erste türkische Atomkraftwerk geäußert. Die Financial Times spricht gar von einem herben Dämpfer.

Laut Uyar sei es bezeichnend, dass nur ein Bieter ein konkretes Angebot abgegeben habe. Dies deute darauf hin, dass die tatsächlichen Kosen und Risiken höher seien als geplant. „Trotz allen Entgegenkommens der Regierung wollen die Unternehmen höhere Garantien des Staates. Dies kann ich der Regierung jedoch nicht empfehlen, genau so wie ich den Unternehmen nicht empfehlen kann, in eine solche Anlage zu investieren.“ Ein Atomkraftwerk der projektierten Größe verbrauche zur Stromerzeugung die dreifache Menge der von ihm selbst produzierten Energie.

Unterdessen bewertet die Financial Times den Verlauf der Ausschreibung als Rückschlag für die türkischen Bemühungen, die Abhängigkeit von den Energielieferanten Russland und Iran zu minimieren. Es sei bemerkenswert, dass Branchenriesen wie Westinghouse aus den USA oder Areva aus Frankreich, deren Anlagen „state-of-the-art“ seien, kein Angebot abgegeben hätten. Die Anlage soll bis 2015 errichtet und betriebsbereit sein. Ein namentlich nicht genannter Experte wird in der FT wie folgt zitiert und bringt damit das Dilemma der Industrie auf den Punkt: „In nuclear terms, 2015 is tomorrow“.

mehr...

Virtuelle Reliquien

Das Referat für Reliquien des Topkapi-Palastes hat seine permanente Ausstellung nun in einer virtuellen Tour zugänglich gemacht.

Die Multimedia-Gruppe www.360tr.com hat nach zwei Jahren Arbeit die Digitalisierung der geheiligten Hallen des Islam fertiggestellt. In der Abteilung des Museums, in der 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr der Koran rezitiert wird, sind nicht nur ein Zahn, Barthaare, Waffen und der Umhang des Propheten Mohammed zu sehen, sondern auch der Stock des Moses, ein Schwert Davids und ein Geschirr Abrahams.

Die Tour, die aus 1250 hochauflösenden Fotos zusammengefügt wurde, ist hier zu sehen. www.360tr.com hat schon durch die Digitalisierung der Haghia Sophia, des Atatürk-Mausoleums, der Çanakkale-Gräber, des Zeugma-Museums, der aramäischen Kadim Kırklar-Kirche in Mardin, Kapadokiens und des Unterwassermuseums in Bodrum von sich reden gemacht.

mehr...

Türkisches Ballett in Frankfurt

Das Istanbuler Staatsballett gastiert im Rahmen der Ehrenhospitanz der Türkei bei der Frankfurter Buchmesse mit dem Stück "About Beauty of Love" im Frankfurter Gallus-Theater.

Das Ensemble präsentiert dem deutschen Publikum das Stück "About Beauty of Love", zu türkisch "Hüsn-ü Aşka Dair". Dieses geht auf das im 18. Jh. vom Sufi Scheich Galip verfasste gleichnamige Werk zurück. Das Stück erzählt dabei in märchenhafter Weise von der Liebe zwischen dem Mädchen "Hüsn" ("Schönheit") und dem Jungen "Aşk" ("Liebe").

Beyhan Murphy zeichnet für Choreorafie und Regie des von Kubilay Tunçer für die Bühne adaptierten Stückes verantwortlich. Rahman Altın komponierte die Musik, die Köstüme stammen von Ayşegül Alev. In dem Stück sind die Tänzer Arkın Zirek, İlke Kodal, Onur Tunay, Can Tunalı, Erhan Güzel, Bahadır Ovacıklı, Egemen Kement und Ebru Cansız zu sehen.

mehr...

Kommentar: Hat jemand einen Gewinner gesehen?

Das gestrige „Duell“ zwischen Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) und Dengir Mir Mehmet Fırat (AKP) versammelte für rund 1,5 Stunden die türkische Öffentlichkeit vor den Bildschirmen. Der Grund für das von 50 TV-Kameras verfolgte Spektakel: gegenseitige Schuldzuweisungen zweier Politiker. Die Vorwürfe selbst sind nicht von Pappe: So wird dem stellvertretenden AKP-Vorsitzenden vorgeworfen, an einer Firma beteiligt zu sein, die aufgrund von Scheingeschäften gerichtlich belangt wurde und auf deren LKWs Heroin transportiert wurde. Für die im Spendenskandal um den Verein „Deniz Feneri e.V.“ in Mitleidenschaft gezogene AKP war dies ein Fiasko.

Die Beobachter des gestrigen Schlagabtauschs attestierten den Kontrahenten ein demokratisches, zivilisiertes Auftreten. Angesichts der Verleumdungen, ja, Beschimpfungen, die beide im Vorfeld über einander ergehen ließen, war dies sicher ein Fortschritt. Nach Abschluss der Diskussion unter der Leitung von Uğur Dündar, einem türkischen Ulrich Meyer, sahen viele den CHP-Fraktionsvize knapp vorn.

Tatsächlich ist jedoch weder Kılıçdaroğlu der Gewinner, noch Fırat der Verlierer. Der eindeutige Gewinner dieser „Debatte“ sind die Medien, die sich, nach dem Steilpass eines Parlamentariers, der seiner eigenen Justiz kaum mehr zu trauen scheint, darin ergötzen konnten, das türkische Parlament in ein „Big Brother“-Haus verwandelt zu haben. Jedes Zucken im Gesicht der Beteiligten wurde zu einer Nachricht auf den Newstickern. Dieser „Sieg“ der Medien hat jedoch einen schalen Beigeschmack. Wollte man ernsthaft behaupten, dass türkischen Medien die Rolle eines gesellschaftlichen Korrektivs zufiele, würde man herrschende Realitäten verkennen.

Nun zu den Verlierern. Vorwürfe dieser Art sollten vor einem Zivilgericht geklärt werden, unter dem Vorsitz unabhängiger Richter, und nicht vor den geifernden Objektiven sensationsgeiler Medien. Dass man diesen Weg nicht hat beschreiten wollen, zeigt nicht nur das mangelnde Vertrauen in diese Institution. Es zeigt ein tiefes Misstrauen gegenüber einem System, das über keine Selbstheilungsmechanismen verfügt. Die türkische Presse: 1, die türkische Justiz: 0? Nein. Der demokratische Rechtsstaat: 0. Er ist es, der schon lange verloren hat. In dem eine seiner Gewalten zugunsten selbstdarstellerischer Zwecke suspendiert wurde, zeigt sich die Fragilität seiner Architektur.

Dies ist in der türkischen Politik freilich kein Novum. Das kemalistische Postulat des „Halkçılık“, des Populismus, sah vor, dass jeder Bürger, gleich seiner Herkunft, Religion oder Sprache Teil eines gesellschaftlichen Gesamtgefüges war, welches dem Staat seine Souveränität lieh. In seiner überkommenen Auslegung verkümmerte dieses Prinzip türkischer Politik zum „reden nach des Volkes Mund´“. Politiker jeglicher Couleur finden Gefallen daran, ihre Thesen regelmäßig im Prisma der Stammtische zu brechen. Der Klassenprimus: Ministerpräsident Erdoğan. Geht es um das Verbotsverfahren, mokiert sich der Premier über die Unverfrorenheit eines Gerichts, welches gegen den Willen des Volkes agiere. Ist das Kopftuchurteil das Thema, so findet Erdoğan es skandalös, dass ein Gericht es sich herausnimmt, seine Regierung, mithin die Stimme des Volkes, zu übergehen. Die Stimme des Volkes?

Wo will der Mann hin? Wenn das türkische Volk keine Steuern mehr bezahlen will, stimmt er dem dann auch zu? Wenn jeder türkische Bürger sagt, wir lösen die Zentralbank auf und teilen die Goldreserven unter uns auf, nickt er dies ab? Dem Volk schmeichelt es sicher, wenn der Ministerpräsident seinen misera plebs - zumindest verbal - dermaßen hoch schätzt. Hinreichend bekannte Episoden über Erdoğans aufeinandertreffen mit einfachen Menschen aus dem Volk sprechen eine andere Sprache

Selbstverständlich ist das Volk der Souverän des türkischen Staates, so steht es auch in der Verfassung. In der Verfassung steht aber auch, dass der Souverän seine Macht über die in der Verfassung festgelegten Organe wahrnimmt. Gesundes Vertrauen in die Institutionen des Staates, welches sich freilich durch Taten rechtfertigen muss, ist der höchste Dienst am türkischen Volk, denn nur dies gibt ihm seine Stimme zurück.

mehr...

Bartholomäus: Nehmt die Türkei in die EU auf!

Der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomäus I., hat sich in einer Rede vor dem Europäischen Parlament für den EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen.

Bartholomäus rief die Europäer, die mit Millionen von Muslimen zusammen leben, dazu auf, den Islam als Teil Europas anzuerkennen. Es sei an der Zeit, dieses Denken am Beispiel der Türkei, die er demonstrativ als "mein Heimatland" bezeichnete, zu demonstrieren. Auch die Türkei müsse ihrerseits Schritte in den Bereichen des interkulturellen Dialogs und der Toleranz unternehmen, um einer Mitgliedschaft gerecht zu werden. Es sei ungerecht, der Türkei nur als Wirtschafts- und Handelspartner zu begegnen, sie politisch jedoch zurück zu weisen.

Der Besuch des Patriarchen Bartholomäus geschah im Rahmen von Feierlichkeiten zum "Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs" auf Einladung von Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering.

mehr...