Die Äußerung des türkischen Außenministers Ali Babacan vor dem Europäischen Parlamanet, wonach auch die große Mehrheit der Muslime in der Türkei keine Religionsfreiheit genießen würde, hat in der Türkei für großes Aufsehen und einige Proteste gesorgt.
Diverse Medien, allen voran die erzlaizistischen Cumhuriyet, Milliyet und Hürriyet gifteten umgehend zurück, dass die Türkei nur noch die Einführung der Scharia von einem saudi-arabischen Gesellschaftsmodell trennen würde. Auch wenn es in realitas nicht ganz so dramatisch sein dürfte, sind die Argumente der Befürworter von Babacans These doch recht fragwürdig. So schreibt Mustafa Akyol, ein erklärter Kreationist und Ko-Autor des "Moderaten Muslimischen Manifests", dass Babacan durchaus Recht habe und verweist auf den 18. Artikel der Allgemeinen Erklärung über die Menschenrechte.
So erklärt er, dass die "im Westen" lebenden Muslime wesentlich mehr Freiheiten in puncto Religionsausübung genießen würden. Insbesondere die Bildung von religiösen Gemeinschaften und Bruderschaften sei "im Westen" viel unkomplizierter als in der Türkei. In diesem Punkt hat er Recht: Eine Vereinigung wie der Kölner "Kalifatstaat" hätte in der Türkei niemals offiziell gegründet werden können.
Ferner könnten sich die Muslime in Europa kleiden wie sie wollten. Dies ist natürlich ein Seitenhieb auf die strenge, wenn auch neuerdings gelockerte Verordnung über das Verbot von Kopftüchern an Universitäten, Schulen und Verwaltungen. Dabei unterschlägt Akyol, dass sich das Verbot nur auf die öffentliche Funktion des Kleidungsträgers bezieht. Der aus Frankreich importierte Gedanke der laicité macht keinerlei Vorschriften darüber, wie sich Menschen in ihrer Freizeit zu kleiden haben. Ich kann Herrn Akyol nur dazu auffordern, zehn Minuten durch den (auf der europäischen Seite gelegenen) Istanbuler Stadtteil Fatih zu laufen, wie ich es vor ein paar Tagen noch gemacht habe. Man kann sich des optischen Eindrucks nicht erwehren, sich an der Grenze Afghanistans zu Pakistan zu befinden, anstatt im Herzen des türkischen Fensters zur Welt.
Man verstehe mich bitte nicht falsch. Wenn diese Menschen dabei glücklich sind und niemandem Schaden zufügen, sollen sie sich doch bitte kleiden, wie sie es selbst für richtig halten. Wenn Herr Babacan, der - einmal abgesehen von dieser Äußerung - so gut wie nicht mehr vorkommt, seinen Landsleuten wirklich einen Gefallen tun will, so soll er endlich genug Schulen, Universitäten und vor allem Krankenhäuser errichten lassen, und die unterentwickelten Ortschaften im Südosten des Landes endlich mit Elektrizität und fließendem Wasser ausstatten. Moscheen gibt es in der Türkei nämlich schon über 80.000 Stück.
Mittwoch, 4. Juni 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen