Während in der türkischen Öffentlichkeit das Votum des Verfassungsgerichtes zum Verbotsantrag gegen die AKP mit äußerster Spannung erwartet wird, zeichnet sich schon jetzt die Strategie der Partei für die "Zeit danach" ab.
Während der Spiegel herausgefunden haben will, dass das Geschäft über eine Nachfolgeorganisation weitergehen solle, scheint die Ausgangslage doch etwas vertrackter zu sein als gemeinhin angenommen. Lediglich eine neue Organisation zu gründen, ist wahrscheinlich selbst der AKP zu simpel. Es darf nun wirklich nicht ernsthaft angenommen werden, dass ein solcher Etikettenschwindel ein weiteres schnell eingeleitetes Verbotsverfahren verhindern würde. Somit steigt auch die Anzahl der zu berücksichtigenden Szenarien. Hier eine Auswahl:
Wird die AKP verboten und erhalten mindestens 28 Politiker ein politisches Betätigunsgverbot, so werden nach Artikel 78 der türkischen Verfassung vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Tritt dieser Fall ein, so werden auch die Kommunalwahlen, die laut Verfassung ein Jahr vor oder nach den Parlamenstwahlen stattfinden sollen, vorgezogen. Trifft das Verfassungsgericht seine Entscheidung im Juli, so sind spätestens für September Wahlen anzusetzen, wird die Entscheidung im Zeitraum September-Oktober getroffen, so werden die Wahlen im Dezember 2008 bzw. Januar 2009 stattfinden.
Was passiert aber, wenn die Partei verboten wird, jedoch weniger als 28 Politikern die Betätigung untersagt wird? Es ist anzunehmen, dass die AKP in einem solchen Fall Druck auf Abgeordnete ausüben wird, freiwillig ihr Mandat niederzulegen, um über einen solchen Weg das erste Szenario durchführen zu können und zu vorgezogenen Neuwahlen zu kommen.
Was passiert genau mit den verwaisten Mandaten? Die türkische Verfassung schreibt vor, dass in diesem Fall in dem betreffenden Wahlkreis eine Nachwahl stattfindet. Über diesen Weg wurde Ministerpräsident Erdogan seinerzeit zum Abgeordneten des Wahlkreises Siirt.
Gleichwohl ist eine vorgezogene Neuwahl für die AKP mit nicht unerheblichen Bauchschmerzen verbunden, denn nicht nur die aktuell schleppende wirtschaftliche Entwicklung lassen einen Stimmenverlust für die AKP befürchten. Hinzu kommt, dass die meisten Abgeordneten der AKP noch immer "ausgebrannt" von den letzten Wahlkämpfen sind.
Trotz allem gibt es momentan keine greifbare Alternative zur Option "Neuwahlen". Im schlechtesten Fall, d.h. wenn das Verfassungsgericht sein Urteil bis zum März 2009 aufschiebt, werden die für diesen Zeitraum angesetzten Kommunalwahlen die AKP kalt erwischen.
Was die Frage des politischen Betätigunsgverbots für Erdogan betrifft, kann er versuchen, sich als unabhängiger, sprich parteiloser Abgeordneter ins Parlament wählen zu lassen, danach den Staatspräsidenten bitte, ihn mit der Regierungsbildung zu beauftragen und das erforderliche Vertrauensvotum zu absolvieren. Er dürfte lediglich kein Mitglied einer politischen Vereinigung sein.
Dienstag, 20. Mai 2008
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