Recep Tayyip Erdogan legt noch einen drauf: kurze Zeit, nachdem auch ausländische Organisationen mit zunehmender Besorgnis auf die ansteigende Nervosität des türkischen Ministerpräsidenten reagieren, ruft er dazu auf, kritische Medien, allen voran jene der Dogan-Holding, zu boykottieren.
Vor einer AKP-Konferenz sagte Erdogan, dass die Mitglieder seiner Partei jene Zeitungen, die erlogene und falsche Meldungen verbreiteten, boykottieren sollen. Nun schlägt das türkische Medienlager zurück. Der Vorstand der Vereinigung türkischer Journalisten spricht von einer noch nie dagewesenen Pressefeindschaft. Man nehme mit Besorgnis zur Kenntnis, dass es zu vergleichbaren Aufrufen nur in Zeiten nach einem Militärputsch gekommen sei.
Der Vorsitzende des Presserates, Oktay Ekşi, sagte, dass er sich mit seinen 56 Jahren Berufserfahrung nicht daran erinnern könne, jemals einen solchen Boykottaufruf vernommen zu haben. Die Haltung des Ministerpräsidenten zeige seine Auffassung von Demokratie. Ekşi warnte davor, dass sich die Geschichte anderer Länder in der Türkei wiederholen könne und berief sich dabei auf Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg.
Ahmet Abakay, der Vorsitzende des Verbands zeitgenössischer Journalisten, bewertete den Vorstoss Erogans als unzeitgemäß und primitiv. Erdogan sein eindeutig nicht jedermanns Ministerpräsident, sondern nur der Ministerpräsident der AKP und ihrer Gefolgsleute.
Der ehemalige Vorsitzende des Verbands zeitgenössischer Journalisten, Doğan Tılıç, sagte, dass ein Ministerpräsident nicht dazu aufrufen könne, ihm unliebsame Medien zu boykottieren. Vielmehr sei es seine Aufgabe, ein Umfeld dafür zu schaffen, dass die Medienlandschaft pluralistischer wird. Erdogans Attacke werde dazu führen, dass die ohnehin überängstlichen Verleger regelrecht autozensorische Züge an den Tag legen würden.
Die Tragweite der neuerlichen Attacke Erdogans, dem ohnehin ein dünnes Fell nachgesagt wird, dürfte dem gestandenen Populisten nicht unbedingt bewusst gewesen sein. Das von Erdogan ausgerufene Boykott könnte sich schließlich zum Referandum gegen ihn wenden, wenn die Auflagenzahlen der missliebigen Medien ab der kommenden Woche unverändert bleiben, bzw. noch nach oben schnellen sollten.
Die britische Economist macht schon gehörige Flecken auf der weißen Weste der Partei aus, die sich mit dem "Ak" ("Weiss"), dem ersten Wort des Akronyms AKP, nur zu gern brüstet. Der Verkauf der Mediengruppe Sabah-ATV an die Çalık-Holding mit dem dort geschäftsführenden Ministerpräsidentenschwiegersohn, die Affäre um Şaban Dişli, der "Deniz Feneri e.V."-Skandal, die Verwicklungen des obersten Fernsehaufsehers Zahid Akman in diesen und andere Unregelmäßigkeiten hinterlassen auch im Ausland einen immer schaleren Beigeschmack, wenn es auf die ehedem als Saubermänner angetrenen Parteigranden zu sprechen kommt.
Samstag, 20. September 2008
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2 Kommentare:
Erfreulich das der Economist endlich aufgehört hat die AKP zu beweihräuchern. Das hat sich die letzten Jahr vermissen lassen.
grüße
Hoffentlich hat es jetzt jeder verstanden, was die AKP will.
Ich hoffe das jetzt jeder stolze Türkische Demokrat aufsteht gegen diese AKP, die von ewig gestrigen, analphabeten und Türkenfeinden gewählt wurde und leider auch von Menschen die im Glauben einer besseren Zukunft geblendet worden sind.
S
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