Dienstag, 19. August 2008

Gül begnadigt Erbakan

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat seinen früheren Parteivorsitzenden Necmettin Erbakan begnadigt. Erbakan war wegen Veruntreuung von Parteigeldern in Millionenhöhe verurteilt worden, vollzog die Strafe wegen seines Gesundheitszustandes jedoch als Hausarrest.

Gül begnadigte seinen früheren "Hodscha" mit dem expliziten Verweis auf dessen Gesundheitszustand. Wie auf der offiziellen Website des türkischen Staatspräsidialamtes zu lesen ist, erging die Begnadigung unter Berücksichtigung des Paragrafen 104, Absatz 2 der türkischen Verfassung, wonach eine dauerhafte Erkrankung ein Begnadigungsgrund sein kann.

Jedoch darf nicht vergessen werden, dass Gül im selben Verfahren, an dessen Ende Erbakan für schuldig befunden wurde, ebenfalls angeklagt war und nur aufgrund seiner Immunität nicht belangt wurde. Die Begnadigung Erbakans wird in säkularen Kreisen Ankaras als Versuch der Reinwaschung des Präsidenten von diesen Vorwürfen kommentiert.

Es ist allerdings ein Armutszeugnis, dass eine Begnadigung wegen einer dauerhaften Erkrankung nur für "Amigos" gilt. Nur zum Vergleich: Während der Ergenekon-Ermittlungen, im Zuge derer vom Ausland unbemerkt viele AKP-Kritiker verhaftet wurden, wurde auch Kuddusi Okkır verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, der Kassenwart und Financier von Ergenekon zu sein. Nach acht Monaten Einzelhaft (und ohne je eine Anklageschrift zu Gesicht bekommen zu haben) erkrankte er an Lungenkrebs. Ihm wurde eine ordentliche Behandlung verweigert. Ins Krankenhaus kam er erst, nachdem er ins Koma fiel. Vier Tage später starb er. Nachdem die türkische Öffentlichkeit sich über diesen Vorfall erboste, musste man auch der Journalistin Ayşe Asuman Özdemir das Recht auf Behandlung ihrer in der Ergenekon-Untersuchungshaft entstandenen Leberzirrhose einräumen, welches man ihr vorher verweigerte.

Ein unparteiischer Staatspräsident verhält sich anders.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

immer diese doppel-moral!manchmal weiss man garnicht mehr, was richtig und was falsch ist!
danke für die beiträge! ich lese sie sehr wissbegierig. es ist toll, endlich informationen aus der türkei in deutscher schrift zu haben.fehlen einem doch viele türkische vokabeln!!!
vielen dank