Dienstag, 19. August 2008

Viel Lärm um Viel

Die Bestrebungen des türkischen Staates, auch in "Alevitendörfern" sunnitisch geprägte Moscheen zu errichten, stößt insbesondere in dem fast ausschließlich von Aleviten bewohnten Dorf Bademler bei Izmir, in dem 1.200 Menschen leben, auf Widerstand.

Der Vorsteher des Dorfes, Mehmet Uysal, gilt als einer der schärfsten Kritiker der staatlichen Moscheenbaupolitik. Er weist darauf hin, dass man über eigene Traditionen und eine eigene Art der Lebensführung verfüge. Jedoch wolle man die Dorfbewohner schon seit Jahrhunderten kulturell assimilieren, und die Bestrebungen des türkischen Staates setzten den seit langem bestehenden Druck weiterhin fort. Er habe den zuständigen Bürokraten klarmachen wollen, dass die Türkei ein reicheres Land werden könne, wenn man zuliesse, dass jeder nach seiner eigenen Auffassung leben könne.

Das Dorf Bademler ist für seine kulturellen Aktivitäten mittlerweile im ganzen Land bekannt. Seit vier Generationen stehen die Einwohner, die tagsüber auf dem Feld arbeiten, nach Feierabend auf der Bühne des von ihnen 1963 mit eigenen Mitteln errichteten Theaters. Die Bewohner des Dorfes fordern vom türkischen Staat einen Ausbau des Theaters, eine Bibliothek, ein Klinik, eine Schule oder weitere infrastrukturelle Maßnahmen anstatt einer Moschee, in die niemand von ihnen auch nur einen Fuß setzen würde.

Die kulturellen Leistungen des Dorfes schlagen sich auch in einer eigenen Bestattungskultur nieder. So sind auf den Grabsteinen der Verstorbenen die Namen der Rollen verewigt, die diese zu Lebzeiten im Dorftheater verkörperten. Flaniert man über den Friedhof, findet man unter anderem "Shakespeare Ahmet", "Moliére Hasan" und "Juliet Zeynep". Die erste Generation der Schauspieler ließ ihre Grabsteine mit Namen wie "Palet", "Pamili", "Mişon Emmi" und "Koca Hala" verzieren, die ebenfalls der Theaterwelt entlehnt sind.