Mittwoch, 18. Juni 2008

Bülent Ersoy steht wegen eines Sprichwortes vor Gericht

Der transsexuelle türkische Sänger Bülent Ersoy steht wegen des Schürens antimilitärischer Ressentiments in der Bevölkerung vor Gericht.

Ersoy hatte während einer Fernsehsendung gesagt, dass er selbst seinen Sohn nicht zum Militärdienst schicken würde. Aufgrund dieser und ähnlicher Aussagen wird der Sänger nun vor der 18. Strafkammer des Gerichts im Istanbuler Stadtteil Bakırköy der Prozess gemacht. Nach der Ausstrahlung der entsprechenden Passage im Fernsehen haben zehn Personen bei der Generalstaatsanwaltschaft Anzeige gegen Ersoy erstattet. Am heutigen ersten Verhandlungstag wurden die Beschwerdeführer über die Gründe für ihre Anzeige befragt. Dabei sagte der Kläger Savaş Altay, dass er Anzeige erstattet habe, da ihm die territoriale Integrität der Türkei am Herzen liege.

Ersoy selbst war bei der Verhandlung nicht zugegen, da er, wie sein Management erklärte, einen seit langer Zeit geplanten Auftritt in Bodrum absolvieren müsse. Das Gericht verfügte, dass der Sänger beim nächsten Verhandlungstag notfalls mit Polizeigewalt vor Gericht gebracht werden solle.

Der Generalstaatanwalt von Bakırköy Ali Çakır sagte während der Beweisaufnahme, dass Ersoy als Künstler einen großen Einfluss auf die Menschen habe, und dass seine diesbezüglichen Aussagen zu einer Zeit, da das türkische Volk sehr sensibel sei, dem Ansehen der Türkischen Streitkräfte schadeten. Als Beleg für seine Behauptung führte Staatsanwalt Çakır das alte türkische Sprichwort "Her Türk asker doğar" (zu deutsch:" Jeder Türke wird als Soldat geboren") an, welches den Stellenwert des Militärs in der Türkei verdeutliche.

Die Aussagen Ersoys, der nach dem Putsch von 1980 ein mehrjähriges Auftrittsverbot erhielt, sollen nach dem Antrag des Staatsanwalts nicht im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit bewertet werden.